Diese 5 Fehler lassen das Boot mit Gennaker aus dem Ruder laufen!
Die kleinen grossen Unterschiede beim Gennakersegeln
Meist sind es Kleinigkeiten, die das Segelboot unter Gennaker aus dem Ruder laufen lassen. Am häufigsten passiert es beim Halsen, weil der Niederholer nicht gelöst wird oder Gross und Genni bei Starkwind gleichzeitig gehalst werden. Darüber hinaus sind es oft Steuerfehler, die zu einem Sonnenschuss führen, insbesondere in Böen.
Ein solches Beispiel möchte ich hier darstellen und die 5 Einzelfehler durchleuchten.
1/ Mannschaft am falschen Platz
Mit freundlicher Genehmigung von S. Rothen darf ich dieses Foto- und Filmmaterial von der Szene an Bord der Aura verwenden und analysieren. Die Mannschaft hat am Klassentraining in Sisikon am Urnersee 2021 teilgenommen und bestach durch gute Manöver und eine hohe Performance des Bootes auf allen Kursen. Darüber hinaus waren Nichtsegler an Bord und trainingshalber rotierten die Positionen.
Mannschaft am falschen Platz
Beim Gennakersegeln im Starkwind muss man immer auf der Hut sein vor Böen oder anderen unterwarteten Gegebenheiten. Nicht so wie im Bild unten.
Gemütlich sitzt die Crew unten im Cockpit und der Trimmer sogar im Lee, wo er bei Krängung keinen Halt hat und sein Gewicht negativ wirkt. Die einzige Person auf der Kante aussen am Deck ist der Steuermann. Zwei Crewmitglieder wirken unbeschäftigt fast mittschiffs, während der Trimmer im Lee die Gennakerschot über die Kabinen-Winsch führt.
Das kann man machen, führt aber immer zu Verzögerung beim Fieren. Zudem sollte nicht die Lee- sondern die Luvwinsch dazu benutzt werden.
Die richtige Position der Mannschaft ist ganz im Luv vom Boot und so weit hinten wie möglich, damit das Crewgewicht maximal gehebelt werden kann. Die vorderste oder hinterste Person ist der Gennakertrimmer, welcher die Schot entweder über die Winsch führt (vorne) oder direkt via Umlenkblock (hinten).
Führt er die Schot über die Winsch, dann trimmt er nicht über die Winsch sondern mit der linken Hand durch spannen und loslassen des Schotzugs, währen die rechte Hand die Schot hält, zieht oder nachgibt auf der Winsch.
2. Zu viel Druck im Grosssegel
Das Squaretop-Grosssegel will immer getwistet sein bei mehr Wind. Wird der Niederholer oder die Grossschot zu stark gespannt, macht das Achterliek zu und man kann im Top keinen Druck ablassen.
Im untersten Teil des Grosssegels produziert man den Vortrieb aber auch parasitären Wiederstand, im mittleren Teil wird am meisten Beschleunigung oder Akzeleration erzeugt und im oberen Teil produziert man am meisten Druck. Folglich muss der Grossbaum relativ dicht sein und das Segel nach oben austwisten, wie man es auf dem folgenden Bild sieht:
In der Mitte auf der Höhe der Salinge steht das Profil am besten zum scheinbaren Wind. Oben wird der Druck abgelassen und ganz unten viel Druck erzeugt, d.h. der laterale Druckpunkt wird nach unten verlagert und trotzdem viel Vortrieb erzeugt.
Auf dem nachfolgenden Bild fällt auf, dass der Traveller komplett im Lee sitzt während die Grossschot dicht gefahren wird. Das verhindert ein Steigen des Grossbaumes in den Böen und folglich ein Austwisten des Grosssegels im oberen Drittel.
Folglich kann der Druck nicht aus dem Grosssegel abgelassen werden und erzeugt Krängung.
Die Segelschule Saphire bietet im Juli und August Nachmittagscoachings in Sisikon am Urnersee mit Gennaker an.
3. Steuerfehler in den Böen
Die wichtigste Person an Bord ist immer der Steuermann oder die Steuerfrau! Hier passieren eigentlich alle Fehler.
Fällt der Steuermann zu stark ab, fällt der Genni hinter dem Gross zusammen. Luvt der Steuermann zu stark an, produziert er einen Sonnenschuss, d.h. das Boot läuft aus dem Ruder und lässt sich nicht mehr steuern.
Am meisten Fehler passieren während den Manövern, insbesondere beim Halsen, Setzen oder Bergen des Gennakers. Darüber hinaus passieren viele Fehler in Böen, weil diese nicht immer genau aus derselben Richtung kommen und der Steuermann schnell, aber feinfühlig reagieren muss, insbesondere bei Sportbooten.
Ungeübte Segler*Innen luven in den Böen mit Gennaker sogar an, was natürlich kreuzfalsch ist. Das kommt oft vom Umdenken aus dem Amwind-Kurs.
Im vorliegenden Fall fällt der Steuermann zuerst zu fest ab und luvt dann zu stark an. Oft sind es nur wenige Zentimeter, welche die Pinnen bewegt werden sollten, kaum sichtbar für die Mitsegler.
4. Schotenwirrwar
Einmal abgesehen davon, dass der Steuermann die Schot nicht in der Hand hat, greift er auch nicht danach, um das Segel zu fieren. Ein häufiger Fehler in der Hektik einer solchen Situation.
Ein sehr wichtiger Punkt ist die Ordnung auf dem Boot und es ergibt Sinn, bei genügend Crew die Grossschot-Arbeit zu delegieren, wenn der Steuermann sich konzentrieren muss.
Ein No-Go sind Knoten in den Schoten oder ein Durcheinander. So kann nicht mal mehr gefiert werden, auch wenn man es noch möchte.
Darüber hinaus sieht man auf dem nachfolgenden Bild auch die hohe Spannung der Gennakerschot, welche im Luv nicht gefiert wurde. So kann der Vorschoter lange versuchen, denn Gennaker ins Boot zu holen, das kriegt er so nicht hin.
Deshalb müssen die Schoten lang genug sein, dass man den Gennaker auch hinter den Salingen noch ins Cockpit holen kann.
5. Falsche Travellerposition
Wie eingangs erwähnt soll der Traveller bei den Squartop-Grosssegeln mittschiffs bleiben und nicht nach Lee gelassen werden. Der Niederholer bleibt tlw. oder ganz offen, damit der Baum in den Böen steigen kann. Steigt der Baum, twistet das Gross im oberen Drittel. Steigt der Baum nicht, drückt es das Boot zur Seite!
Der Einfluss dieser Trimmeinstellungen kann grösser sein, als der gesamte Druck im Gennaker.
Das richtige Vorgehen nach dem Sonnenschuss
Liegt das Boot erst einmal flach, steht es ohne Eingriffe nicht so leicht wieder auf, solange der Wind seine Angriffspunkte im Gennaker und Grosssegel findet. Folglich müssen diese in folgender Reihenfolge entlastet werden
Niederholer vom Grossbaum lösen (eine Person hält den Niederholer bei Wind immer in der Hand)
Grossschot öffnen
Gennakerschot oder Tack NICHT lösen sondern
Gennakerfall 3 - 5 Meter fieren, weil das der grösste Hebel im Top vom Masten ist
Das Boot richtet sich auf, der Steuermann fällt LANGSAM ab. Langsam deshalb, weil zuerst Fahrt gemacht werden muss und die Strömung am Ruder ansetzen muss
Kaum liegt das Boot vor dem Wind, wird der Gennaker wieder gezogen und Gross und Niederholer dicht genommen
Der Trick mit dem Lösen des Gennifalls kann auch angewendet werden, wenn man es z.B. nicht mehr an eine Tonne schafft, weil zu viel Druck im Gennaker ist. Dann fiert man das Fall etwas, lässt aber Tack und Schot dicht. Der Gennaker flattert über dem Wasser, ohne dieses zu berühren.
Dasselbe gilt beim Sonnenschuss. Fiert man jedoch das Fall und die Schot oder den Tack gleichzeitig, dann landet der Gennaker fast sicher im Wasser oder unter dem Boot und einen Gennaker unter dem Boot hervorzuholen braucht Elefantenkräfte und riskiert auch Bruch.
Die Saphire-Segelschule bietet im Juli und August Gennakerkurse in Sisikon am windsicheren Urnersee auf den eigenen Booten oder auf der Saphire 27 Viento.